Ungeplant Schwanger – Einblicke

Ich verfolge seit einigen Monaten die Berichte über die Frauenärztin Christina Hänel, die ein Informationsrecht für Schwangerschaftsabbrüche durchsetzen möchte und sich somit auch für wichtige Frauenrechte einsetzt. Da die Diskussion leider sehr emotional geführt wird, wurde aus einem Recht auf sachliche Information über Schwangerschaftsabbrüche, umgehend, „Werbung für Schwangerschaftsabbrüche“. Das Ärzte / Ärztinnen grundsätzlich überhaupt keine Werbung machen dürfen, wurde dabei, wahrscheinlich, aufgrund der hochkochenden Emotionen, vergessen. Militante Abtreibungsgegner nutzen den § 219 a (Strafgesetzbuch), um Ärzte / Ärztinnen anzuzeigen und erschweren damit deren Arbeit.

Verantwortung

Mich überkommt bei der ganzen Debatte regelmäßig großer Ärger, ja fast schon Wut. Ich finde es unglaublich, dass Frauen im Jahr 2018 nicht selbst über ihren Körper und damit über ihr Leben bestimmen dürfen. Ich denke, die Entscheidung gegen eine Schwangerschaft ist eine sehr verantwortliche, denn es geht ja darum, ein Menschenleben zu begleiten. Lebenslänglich. Mit allen Konsequenzen, die daraus entstehen. Wenn ein Mensch für sich übereinkommt, dass er diese Verantwortung nicht tragen kann, muss er das frei entscheiden können.

Menschenleben gut begleiten

Ich finde die ganze Diskussion vor allem unter einem weiteren Aspekt höchst ärgerlich. Auf der einen Seite wird es Frauen schwer gemacht, eine selbstbestimmte Entscheidung zu treffen, weil man unter allen Umständen ungeborenes Leben schützen möchte. Auf der anderen Seite wird Frauen wie mir, die ungeplant schwanger werden und sich für ihr Kind entscheiden, nicht geholfen, dieses geborene Menschenleben gut zu begleiten. Warum? Anders gesagt: An meiner Haustüre hat noch keiner der militanten Abtreibungsgegner geklopft und angefragt, ob ich Hilfe benötige. 

Ungeplant schwanger

Nachdem ich 2014 ungeplant mit dem Kleinen schwanger geworden bin, war für mich sofort klar, dass ich dieses Kind bekomme. Da mir von Anfang an bewusst war, dass das in meiner Situation nicht einfach werden würde, habe ich mir ziemlich schnell in der Schwangerenberatungsstelle Hilfe geholt. Die regelmäßigen Gespräche haben mir in der Schwangerschaft geholfen, Ängste zu überwinden, so dass ich einigermaßen stabil war. Nach der Geburt allerdings, waren die Beratungen (man kann sie in Anspruch nehmen, bis das Kind 3 Jahre alt ist) dann aber nur noch ein Tropfen auf den heißen Stein, da ich alles, wirklich alles, alleine machen musste mit einem Säugling und dem gerade eingeschulten Großen. Gespräche alleine helfen in so einer Situation nicht mehr, denn es gab zwei Kinder zu versorgen, die aufgrund des Altersunterschieds (7 Jahre) ganz verschiedene Bedürfnisse hatten. Da helfen nur Taten in Form von Hilfe im Haushalt und bei der Kinderbetreuung. Als alleinerziehende Mutter hatte ich beides nicht und muss leider sagen, dass dies, mit die schlimmste Zeit meines Lebens war. Aber nicht deshalb, weil es falsch war, sich für mein ungeplantes Wunschkind zu entscheiden oder deshalb, weil es nicht schön ist für mich, Kinder zu haben. Nein. Es war deshalb so schwer, weil es keine niedrigschwelligen Hilfen gab und ich, weil ich, befristet angestellt gearbeitet habe vor der Schwangerschaft, keine Sicherheit mehr hatte wieder eine Erwerbsarbeit am 1. Arbeitsmarkt zu bekommen. Massive Existenzängste folgten, die bis heute teilweise anhalten.

Erschöpfung, Unsicherheit, Ängste

Die durchwachten Nächte mit einem Baby, die schon für Paare schwierig sind, waren für mich als alleinerziehende Mutter deshalb so schlimm, weil ich mir die Verantwortung mit niemandem teilen konnte. Nie! Der Vater vom Großen war geschäftlich viel auf Reisen, deshalb hatte ich auch zu dieser Zeit, nicht täglich Hilfe. Jedoch hatte ich finanzielle Sicherheit und die Gewissheit, zumindest am Wochenende entlastet zu werden. Mit dem Kleinen hatte ich diese Sicherheiten nicht. Das hatte große Auswirkungen auf mich und meine Kinder. Erschöpfung, Unsicherheit und Ängste haben sich breit gemacht in unserem Leben.

Überlastung

Der Große war kurz vor der Geburt des Kleinen in die Schule gekommen. Das ist für Kinder und Eltern eine große Umstellung. Weder Eltern noch Kinder stellen automatisch um, von „Funktion Kindergarten“ auf „Funktion Schule“. Nein. Es ist ein Lernprozess. Für alle Beteiligten. Großer hat sich z. B. schwer getan damit, dass er nun am Wochenende, trotz Ganztagsklasse,  Hausaufgaben machen musste. Es gab bei uns schlimme Zeiten, in denen wir alle heulend bei den Hausaufgaben saßen. Der Große heulte, weil ich nicht mehr geduldig war, denn ich hatte mir ja die Nächte mit dem Kleinen um die Ohren geschlagen. Ich heulte, weil ich einfach nur müde war und keine Nerven mehr hatte für die vielen Anforderungen, die 24 Stunden an mich gestellt wurden und die ich gerne von Herzen erfüllt hätte. Der Kleine heulte, weil er gar nicht verstanden hat, warum jetzt keiner Zeit hat, oder weil er Hunger hatte oder weil er Bauchweh hatte oder weil……. Es ist der Wahnsinn, wenn man ein Baby oder Kleinkind beschäftigen muss und gleichzeitig dem Schulkind die deutsche Grammatik erklären soll. Wenn ich heute an diese Zeit denke, dann kann ich nur mit dem Kopf schütteln. Es waren einfach zu viele Anforderungen an eine einzige Person, also mich, bei zu wenig Ausgleich in Form von Ruhe, Schlaf und Sicherheit.

Gesetzlicher Anspruch auf Hilfe

Es sollte ganz dringend einen gesetzlichen Anspruch geben, auf Hilfe bei der Kinderbetreuung und im Haushalt, wenn jemand alleinerziehend ein Kind bekommt. Des Weiteren darf es nicht passieren, dass Frauen, die befristet gearbeitet haben, nicht mehr abgesichert sind, da das Rückkehrrecht (Beschäftigungsgarantie) hier nicht greift, weil der Arbeitsvertrag ausläuft. Ich habe tatsächlich keinen einzigen Termin für ein Vorstellungsgespräch bekommen als der Kleine noch ein Säugling war. Da das Elterngeld nur ein Jahr bezahlt wird, musste ich schon während dieser Zeit sehen, dass ich eine Erwerbsarbeit finde für die Zeit nach dem Elterngeldbezug.

Care-Arbeit ist Arbeit

Ob sich mehr Frauen dafür entscheiden könnten, ungeplant ein Kind zu bekommen, wenn die Hilfen ausreichend vorhanden wären und man nicht Angst haben müsste in Armut abzurutschen, um dann im Alter Kohlrabiblätter auskochen zu müssen, weil die Rente nicht reicht? Manche vielleicht. Altersarmut ist weiblich, weil typische Frauenberufe schlechter bezahlt werden (Gender-Pay-Gap) und die private Care-Arbeit, die überwiegend von Frauen erledigt wird, gesellschaftlich nicht als Arbeit gewertet wird. Es ist daher dringend notwendig, dass die  private Fürsorgearbeit von Eltern und pflegenden Angehörigen, als grundlegende und vor allem unverzichtbare Arbeit anerkannt wird. 

Lebensentscheidungen und Menschenrechte

Da ein Kind eine Lebensentscheidung ist und es manche Zeiten gibt, in denen das Lächeln des Kindes nicht ausreicht, um der Erschöpfung oder der Verzweiflung zu entkommen, müssen nicht nur die Bedingungen verbessert werden, unter denen wir als Eltern und pflegende Angehörige Erziehen und Pflegen. Nein. Es muss natürlich auch jeder Frau, die sachliche Information über einen Schwangerschaftsabbruch frei zugänglich sein, weil die Selbstbestimmung über den eigenen Körper und das eigene Leben ein Menschenrecht ist.

 

P.S.: In eigener Sache suche ich Aufträge als virtuelle Assistentin (Infos unter http://www.clairefunke.de). Das Schreiben von Texten zu verschiedenen Themen gehört auch noch zu meinem Repertoire (z. B. Vereinbarkeit von Familie und Beruf, Care-Arbeit, Medizin, Arbeitsmarkt, Essen und Trinken). Extremalleinerziehend würde ich am liebsten im Homeoffice arbeiten, gerne auch festangestellt. Freiberuflich geht aber auch. Andere Arbeitsvariationen sind möglich. Schließlich bin ich flexibel. Meistens. Anfragen nehme ich gerne an unter: info@mamastreikt.de. Neben neuen Aufträgen freue ich mich auch, wenn Ihr meine Arbeit zur Anerkennung der privaten Care-Arbeit finanziell unterstützt. Hier geht es zu PayPal: https://paypal.me/ClaireFunke. Vielen Dank dafür.

 

4 Gedanken zu “Ungeplant Schwanger – Einblicke

  1. Sarah schreibt:

    Liebe Claire,

    du sprichst mir mit deinem Artikel sowas von aus der Seele – kann alles voll unterschreiben, mit dem kleinen unterschied, dass ich erst einfache Mama bin (seit anf. 2015), aber wie du praktisch von Anfang an alleinerziehend…

    Was mir finanziell den Arsch gerettet hat war ALG II zu beantragen. War kurz vor Studiumsende schwanger geworden, hatte also nur Anspruch auf die 300€ Mindestelterngeldbetrag und hatte schon seit kurz nach Schwangerschaftsbeginn wegen schilddrüsenutnerfunktionsbedingtem Energietief und gefühlt 1000 anderen Problemen gleichzeitig, die ich allein bewältigen mußte (komplizierter bürokratiemist), gar keine Reserven noch irgendwo arbeiten zu gehn… Dem Jobcenter gegenüber konnt ich zum Glück problemlos 3 jahre Elternzeit aus den Rippen leiern – aufgrund der hiesigen Betreuungssituation hier (nix zu finden wo die Kids nicht autoritär gleichgeschaltet werden oder pro Weg 10km Anfahrtsweg mit Beginn um punkt 8 – um 6 uhr oder noch früher aufstehen? Nee danke, das hab ich während der Schulzeit schon gehasst wie die Pest, außerdem lässt sich meine Tochter eh nich fremdbetreuen wenn sie nicht ausgeschlafen hat) wär wohl auch noch n Jahr länger gegangen.,
    Nun haben wir das Betreuungsproblem wenigstens an bisher drei Tagen/Woche mit ner privat organisierten Waldgruppe gelöst, dh ich hab mich mit aktuell 3 anderen Familien mit Kids zw 3 und 4,5J. von denen 2 nicht mehr in die Waldorfkita wollen, zusammengetan und wir betreuen die ganze Rasselbande wechselseitig im Wald, jede Familie hat nen festen Tag in der Woche, wo sie für die Betreuung verantwortlich ist, an den anderen Tagen hat sie bei Bedarf die Möglichkeit auf je 4h nonstop kinderfrei. Funktioniert bis jetzt ganz gut (seit rund 2 Monaten).
    Ohne diese Lösung wärs mir gar nicht möglich mich überhaupt mit was andrem als Haushalt und Kind zu beschäftigen… Mich ausschließlich im Mamiversum zu bewegen, da fällt mir jedoch schon länger die Decke auf den Kopf, ohne dabei Däumchen zu drehen…

    Ohne Studienabschluß (nur Abi) hab ich auf dem 1. Arbeitsmarkt eh keine Chance auf was anspruchsvolleres als irgendwelche Hilfsarbeiterjobs, nee danke – drum hab ich mich kurzerhand in meinem Hauptkompetenzgebiet selbständig gemacht. Fertigstudieren ist bisher nicht realisierbar – das hieße nämlich effektiv 2 Vollzeitsemester und Kind währenddessen mind 40h pro Woche betreuen lassen, das macht sie noch überhaupt nicht mit – phasenweise klebt sie grad wieder an mir wie ein Klammeräffchen und will nicht mal mehr 1h allein bei ihrem heißgeliebten Kindertanzkurs bleiben (im Gegensatz zum Anfang) oder bei ihrem Papa (der sich aber sonst kaum kümmert, muß ihm quasi hinterherrennen damit sie ihn überhaupt mal sieht *grrr*).

    Außerdem ist mein Kurzzeitgedächtnis durch den chronischen Schlafmangel sowas von im Eimer, daß ich gefühlt immer noch viel zu sehr im Autopilotmodus unterwegs bin und die ständigen Unterbrechungen weil mein Kind was von mir will machens auch nicht grad einfacher den Faden bei irgend nem Handlungsstrang nicht aus den Augen zu verlieren… Wie ich diesen täglichen Dauerspagat hasse…
    Seit ich das Stillen neulich konsequent auf 2x pro Tag begrenze (nur frühs direkt nach dem Aufwachen und abends zum Einschlafen) wurden endlich acuh die Nächte wieder etwas ruhiger… hoffe da bleibt so… das wär solch ein riesiger Zugewinn an Lebensqualität!

    Es ist mir eh ein riesiges Rätsel wie in aller Welt ich schaffen soll mit chronisch unfreiwillig schlafmangelgebeuteltem und drum nur noch im Autopilot funktionierendem Hirn gleichzeitig achtsam zu sein… Zeit für mich? Tagsüber? was ist das? (abends geht immer nur ganz kurz, sonst säg ich selber noch zusätzlich am möglichen Schlafpensum…)

    Lange Rede kurzer Sinn —
    ich danke dir von ganzem Herzen für deinen Artikel! Ich fühl mich darin sowas von gesehen, es ist so immens wichtig, dass das den nichtalleinerziehenden Mitmenschen endlich mal bewußt wird, was wir da jeden Tag zu rocken haben! Und va.. welch Mammutaufgabe und Verantwortung unsren zukünftigen Generationen gegenüber das ist!
    Wann soll ich mir z.b. die Zeit nehmen meine eigenen Rucksäcke aufzuarbeiten, damit ich diese nicht ungewollt/unbewußt an mein Kind weitergebe? V.a. wenn einschlägige Unterstützungsangebote zu Zeiten stattfinden wo Mauschen müde und darum 100% Mamamaus ist (sämtliche Babysitterversuche abends scheiterten bisher leider kläglich…)… das heißt für mich jedes mal ersatzlos canceln – sehr frustrierend auf Dauer…. Von Veranstaltungen, wo ich meinen Hobbys frönen könnte (zb musikalische Jamsessions, vorträgen, filmabenden/kino, theater, konzerte, fachliche mehrtägige Fortbildungen,…), mal ganz zu schweigen…

    Udn wie froh wär auch ich über ein Caregehalt, va. für Alleinerziehende und Pflegende Eltern! Das hieße in meinem Fall endlich Jobcenter und deren Gängeleien adé bzw hätte nen ähnlichen Effekt wie ein bedingungsloses Grundeinkommen auf mein Leben!
    Unendlichen Dank, dass du dies alles niedergeschrieben hast, damit es endlich auch für andere sichtbar werden kann! Und v.a. auch für dein Engagement für das Care-Gehalt – hab den Umfragelink natürlich mit unterschrieben und so weit gestreut wie ich konnte!

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    • Mama streikt schreibt:

      Liebe Sarah,

      vielen Dank für Deinen Kommentar und das Du die Petition weiter verbreitet hast. Die Zeit, die einen die Kinder so ganz viel brauchen, ist irgendwann vorbei. Beim Großen war das mit 5 Jahren so, dass ich den Eindruck hatte, jetzt wird es etwas leichter. Aber alleine sind auch 5 Jahre ein langer Weg. Ich wünsche Dir, dass Du die Kraft immer hast und ich wünsche Euch beiden natürlich von Herzen alles Gute.

      Ganz leibe Grüße, Claire

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  2. Francis Bee schreibt:

    Ich war auch ungewollt schwanger … habe mein Kind jedoch verloren.
    Mein damaliger Chef wollte einen Laufstall in mein Arbeitszi. stellen und seine Frau hat sich als Babysitterin angeboten. Meine Kollegen waren alle aus dem Häuschen und hatten sich ausgemalt, wie das Kleine als „Nachwuchs“ zwischen den Bürozimmern herumtollen wird.
    So kann es auch gehen. Leider wurde nichts draus. Anfang 4. Monat war Ende.
    Das war erst schlimm … und die Kollegen haben mit mir geweint. Das tröstete mich auf eine ganz geheime Weise. …

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    • Mama streikt schreibt:

      Liebe Francis Bee,

      schön zu hören dass es so hilfsbereite Chefs und Arbeitskollegen gibt. Es tut mir sehr leid, dass Sie Ihr Kind verloren haben. Das ist wirklich schlimm. Alles Gute für Sie.

      Viele Grüße, Claire Funke

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